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Mein Liberty - Day
#1
Nach langer Zeit bin ich wieder aktiv.

Hinter mir liegt eine Zeit, in der mir sehr bewusst wurde, dass die an anderer Stelle ausführlich beschriebenen Spielarten meiner Sucht nicht zuletzt der Flucht aus der Realität dienen.

Wahrscheinlich geht es vielen so, dass die Coronakrise für Süchtige jeder Art eine schlimme Zeit ist. Ich habe sehr darunter gelitten. Schon immer gehören ein großes Misstrauen in medizinische Eingriffe und ein starker Freiheitsdrang zu mir. Mein Handeln und Denken ist davon stark beeinflusst, allerdings gesellen sich starke Ängste dazu, aus diesem Grund Nachteile zu bekommen - Politik und Medien haben alles getan, um diese Ängste bei mir zu schüren.

Wie schön war es da, doch immer wieder in eine Welt abzutauchen, in der immer die Sonne scheint. In der ich die Fäden in der Hand halte und meine Marionetten so tanzen lasse, wie es mir gefällt - statt mich selbst als handlungsunfähiges Objekt zu sehen, mit dem nach Belieben verfahren werden kann.

Das Gefühl der Hilflosigkeit ist schlimm. So wie ich niemandem ungefragten Zugriff auf meinen Körper gestatte, möchte ich auch nicht, dass völlig außer Kontrolle geratene Gedanken sich meines Handelns bemächtigen.

Jetzt, wo die politische Lage sich entspannt, möchte ich sehr bewusst auf diese Art der Realitätsflucht verzichten. Was ist das Haben einer schöne Traumwelt dagegen, sie garnicht haben zu müssen? Und letztendlich muss es das Ziel sein, unabhängig von äußeren Bedingungen frei von Sucht geistig ganz präsent zu sein, um Angriffe von innen und außen abwehren zu können.

Der Weg in die Freiheit ist nicht an einem Tag gegangen, aber er beginnt heute.
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#2
Hallo Fairlight... Das ist sehr schön geschrieben... mir auch aus der Seele... "Gefühl der Ohnmacht" etc. .... Ja, in Wirklichkeit sind wir Pornosüchtigen die an den Fäden einer "Industrie" hängen und willunfähig werden.... Die Marionetten sind wir...
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#3
Nur haben/hatten wir uns die Fäden selbst an die Industrie befestigt. Kein anderer. Ohnmächtig ist der, der die Verantwortung dafür nicht bei sich selbst sucht. Mit diesem Wissen können wir die Fäden wieder abschneiden und sind keine Marionetten mehr.
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#4
@ Burnham, ja, da stimme ich zu... selbstgesuchtes Marionetten Schicksal...
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#5
Vielen Dank für die Kommentare,

Ja, das Ziel ist es, wieder Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen (was im Grunde ja nicht das Problem sein sollte, denn als erwachsener und geistig halbwegs gesunder Mensch ist man immer für sein Handeln verantwortlich). Vielleicht sollte man es besser so formulieren, dass man "gemäß seiner Verantwortung handelt". Denn das unser Verhalten nicht "gut" ist, im Gegenteil sogar Schaden anrichtet, wissen wir ja alle. Die Kunst ist es dann, im richtigen Augenblick (zB wenn die bösen Trigger kommen), die Verantwortung wahrzunehmen und "nein" zu sagen. Aber genau hier ist ja unser Problem: es schaltet sich der Autopilot ein ...

Da der eigentlich schöne Counter ja leider nicht mehr funktioniert, habe ich mal nachgerechnet: wenn alles gut geht, feier ich am Montag, den 10. Januar meinen Liberty-Day. Das ist natürlich noch sehr lange hin. Wahrscheinlich ist es besser jeden freien Tag als Sieg zu verbuchen, um von dieser negativen "Das schaffe ich doch nie" - Denke wegzukommen.

Die Zeiten stehen günstig: Ich hoffen auf eine Entspannung der mir arg zusetzenden Corona-Politik. Die Tage werden kühler, und man sieht weniger Frauen in knapper Bekleidung, die einen triggern könnten. Mein Hobby hat etwas Aufwind bekommen, weil ich mein Studio umgebaut und einen neuen Synthesizer angeschafft habe. Ich habe eine sehr gutes Buch entdeckt ("Kontemplative Exerzitien" von Franz Jalics), das den für mich am besten geeigneten spirituellen Weg beschreibt. Zur Stressreduktion habe ich von einiger Zeit CBD-Tropfen entdeckt, die auch hilfreich bei Suchtproblematiken sein sollen. Wir stehen kurz vor einer mehrtägigen Radtour mit Frau und Kind, wo ja ohnehin in Sachen Porno nichts laufen kann. Und natürlich: Ich habe dieses Forum wieder entdeckt - also, auf geht' s!

Da ich grade mit einer kleinen Magen-Darm-Grippe zu tun habe, ist genug Zeit da, ein paar Gedanken aufzuschreiben, statt ... na, ihr wissen schon :-) Ich mach das mal in mehreren kurzen Beiträgen mit Überschrift - liest sich vielleicht besser als wenn ich einen endlos langen erschlagenden Text verfasse ...

IN MEINER BADEWANNE BIN ICH KAPITÄN - UND IN MEINER PORNOWELT BIN ICH GOTT

In dem erwähnten Buch von Franz Jalics geht es darum einen Weg zu finden, Gott in der eigenen Seele wahrzunehmen und somit eine unmittelbare Erfahrung der Wirklichkeit Gottes zu machen.

Ich behaupte mal, dass die Fähigkeit, Gott wahrzunehmen, bei den meisten von uns wohl ziemlich verschüttet sein dürften - zu laut ist das Schreien der Sucht, zu groß ist die damit verbundene Scham.

Ein grundlegendes Problem besteht laut Jalics darin, dass wir uns von der "Gottbezogenheit" zur "Ichbezogenheit" hingewendet haben. Ich frage mich, inwieweit die Pornosucht nicht auch eine Folge einer überzogenen Ichbezogenheit sein kann. Jalics schreibt, dass das Leben in Phantasiewelten eindeutig auf Ichbezogenheit zurückzuführen ist. Und hier sind wir Pornosüchtigen natürlich mehr als deutlich angesprochen - insbesondere ich, der seine Paraphilie auch noch mit phantasievollen Chats mit ahnungslosen Chatpartnern untermauert.

Ich baue also aktiv eine Phantasiewelt auf. Das ist im meinem Leben nicht neu. Schon als Kind hatte ich imaginäre Freunde, träumte vom Musikmachen, von Seereisen, später von einer eigenen Freundin. All das habe ich mittlerweile, geblieben ist das Hang, das vollendete Glück in die Phantasie zu verlagern, wo keine Realität mich stören kann.

Jalics schreibt, dass man als Träumer in einem selbstgeschaffenen Kosmos lebt. Man ist der Schöpfer, denn alles, was in dieser Welt existiert, stammt von einem selbst. Man ist der Erlöser, denn alles unstimmige kann von einem selbst zurechtgebogen werden. Man ist allwissend, denn in dieser Welt kann kann nichts ohne das eigene Wissen geschehen. Und man ist Allmächtig, denn in diesem Luftschloss kann man tun was immer man möchte. Also: die vollendete Ichbezogenheit.

In meinen Chats merke ich das sehr deutlich. Manchmal habe ich die perfekte Situation schon vor Augen, manchmal entwickel ich sie beim Schreiben - aber immer wird sie vor einem ahnungslosen Opfer so realitätsnah wie möglich ausgebreitet und durch seinen "Glauben" zum Leben erweckt.

Ob man jetzt auf der Suche nach Gott ist oder nichts: dass eine Sexualität, in der die vollkommene Ichbezogenheit das Ruder übernommen hat, nicht hilfreich ist, wenn man die Hoffnung auf eine erfüllte Partnerschaft noch nicht aufgegeben hat, leuchtet jedem ein.

Ein Abschied von der Pornowelt (bzw meiner Chatwelt) ist damit auch der Abschied von einer Welt, in der alles - wirklich alles - nur dem Zweck dient, uns maximal zu befriedigen. Ein Abschied von einer Welt, in der wir alle dafür nötigen Stellschrauben fest in unserer Hand halten. Eine Welt, in der wir zumindest in der Phantasie "Gott" sein durften.

Denn eins ist klar: wer Gott finden möchte, muss als allererstes aufhören, selbst Gott zu spielen.
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#6
Immerhin stelle ich grade erfreut fest, dass der Counter sich bewegt, wenn er auch nicht die Anzahl der Tage mehr anzeigt.
Dennoch bin ich schwach geworden. Nach zwei Wochen war mein Verlangen nach Sex enorm hoch. Ich war eine Woche mit Frau und Tochter unterwegs, allerdings war unser Kind im selben Zimmer wie wir untergebracht, so dass an Sex nicht zu denken war.
Jetzt bin ich wieder müde und hab keine Lust auf Sex, zumindest nicht mit der eigenen Partnerin. Womit der Beweis erbracht ist: Verzicht auf Pornos führt zu mehr Lust auf die eigene Partnerin.
Mein Rückfallvideo zeigte ein sehr normal aussehendes mittelaltes Paar, scheinbar heimlich beim Sex am Strand gefilmt (wenn es auch wahrscheinlich nur Fake war). Aber die beiden hatte viel Spaß miteinander, schienen sich richtig gut zu verstehen.
Ist es das, was ich vermisse...?
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#7
Es ist schwer, so wie es immer war. Und wieder wird mir bewusst, dass es sich um eine Sucht handelt, die nicht ohne Mühe verschwindet.

Dabei ist jetzt der Zeitpunkt zur Umkehr überfällig. Seit ein paar Tagen wissen wir, dass uns ein zweites Kind erwartet. Das ist etwas tolles, was aber auch fitte und achtsame Eltern erfordert. Und ich weiß, wie sich die Sucht auf das Wohlbefinden auswirkt. Es ist nicht nur die Scham, die einen schon beim Blick in den Spiegel ermüden lässt. Es sind natürlich auch die verlorenen Stunden, die man mit etwas schönen, sinnvollen, oder einfach auch nur mit Schlaf hätte verbringen können, statt seinen bizarren Leidenschaften zu frönen.

Gestern hätte es fast einen Rückfall gegeben. Abends haben meine Frau und ich uns ein gutes Abendessen gegönnt, hinterher gab es richtig guten Sex. Danach ging sie schlafen (wir schlafen getrennt, da wir beide keinen ganz tiefen Schlaf haben), und ich daddelte mit dem Handy rum. Das Problem ist ja, dass ich garkeine Hardcore-Seiten brauche, es reichen schon Pressebilder von Badeseen, wo im Hintergrund eine Frau im knappen Bikini zu sehen ist. Allein der Tatsache, dass mein Akku irgendwann leer war habe ich es zu verdanken, dass es zu keiner Selbstbefriedigung kam.

Heute sind meine Frau und meine Tochter auf einem "Mädelstag" bei Oma. Ich selbst habe auch außer Haus ein paar Dinge zu tun, aber hätte jetzt grade Zeit ... ihr wisst schon. Ich habe schon vorhin wieder angefangen mit einzureden, dass es doch nicht sooo schlimm ist.

Aber mir ist klar: jetzt, in diesem Augenblick, heißt es stark sein und entschieden nein zu sagen. Ihr kennt sicher alle diesen Augenblick, wo die Sucht das Ruder übernimmt und man wider des guten Willens das macht, was man doch eigentlich bleiben lassen wollte.

Es ist jetzt 13.08 Uhr. Um 16.45 muss ich los zu einem Freund. In diesen gut dreieinhalb Stunden will ich es schaffen. Ja, ich will es schaffen. Ich möchte nicht hier wieder morgen am Rechner sitzen und euch von meinem Rückfall berichten müssen.
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#8
Hoi Fairlight... cool dass du schriebst, dass du hier bist.. Bleib mit deiner Frau dran am Sex, das ist doch wunderbar! Denke dir wie es dir in diesen Momenten gehen würde, wenn du keine Frau, keine Lebensgefährtin hättest .... und dann denke wie es dann im Umgang mit dieser Sucht wäre... Du hast bestimmt eine gute Chance gut dran zu bleiben...
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