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Ich habe es eingesehen
#1
Hallo, liebe Community!

Was ich gleich schreiben werde, habe ich bis jetzt noch keiner Menschenseele erzählt. Bis vor kurzem war mit die Tragweite meines Problems nichtmal bewusst, obwohl alle Alarmglocken schon seit langem hätten laut schrillen müssen. Das hier ist eine Art Lebensbeichte und deshalb wird der Text wahrscheinlich ziemlich lang.

Aber von Anfang an...
Meine Vorgeschichte ist dieselbe wie bei vielen anderen, aber ich glaube ich war damals schon etwas extremer, was Masturbation angeht.

Jugend:
Nachdem ich herausfinde, wie es funktioniert, bin ich davon besessen. Ich masturbierte über einen langen Zeitraum mehrmals täglich und das auch unter Schmerzen. Zu meinem Glück habe ich kein Internet und muss mich entweder auf meine Fantasie, oder auf die nächtlichen Softcore auf SAT1 verlassen. Das wird sich bald ändern und die große weite Welt der Internetpornos wird mir offen stehen.
Mit 17 habe ich meine erste richtige Freundin und mein Erstes Mal. Als ich in sie eindringe, spüre ich nichts! Dass ich nicht zum Orgasmus komme, versteht sich von selbst. Ich bin völlig verwundert, warum jeder so auf Sex abfährt, wenn doch Masturbation so viel intensiver ist und besser ist. In meinem jugendlichem Leichtsinn denke ich, ich müsse gerade jetzt mehr Pornos schauen, um mir die Erinnerung daran frisch zu halten, damit auch ich beim Sex kommen kann. Was für eine dumme Fehleinschätzung! Manchmal klappt es beim Sex zu kommen, aber bei weitem nicht jedes Mal und wenn, dann erst nach langer Zeit.

In meinen 20ern:
Die erste Freundin ist vergessen und an der täglichen Masturbation zu Pornos hat sich nichts geändert. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden beim Sex, (viel) länger zu brauchen. Ich stelle aber keine Verbindung zum Pornokonsum her und tue es einfach als meine Eigenart ab. Außerdem kommunizierte ich auch ganz klar vor dem Sex, dass das kein Quickie werden wird. Wegen meiner Ausdauer kann ich die Frauen auch großteils befriedigen und mir selbst ist mein Orgasmus auch nicht wirklich wichtig. Ich lache über andere Männer, die bereits nach kurzer Zeit fertig sind. (Wie dumm ich doch damals war!)

In meinen 30ern:
Ich bin in einer langjährigen Beziehung. Pornos spielen zwar immer noch eine Rolle, aber nicht mehr so exzessiv wie vorher. Der Sex ist gut und ich bin mal mehr und mal weniger zufrieden. Wie das hald so ist in Beziehungen. Was mir retrospektiv auffällt, ist dass der Pornokonsum in dieser Zeit direkt mit meiner Stimmung korreliert. Je schlechter es mir geht, desto höher der Konsum. Meine Freundin spricht mich manchmal darauf an, aber für mich ist alles innerhalb der Norm und es besteht weiterhin kein Grund zur Sorge oder Intervention.

Die Beziehung geht in die Brüche (nicht wegen der Pornos) und ich bin auf mich allein gestellt. Also wieder täglich mehrmals dasselbe Ritual. Die altbekannten Seiten öffnen, masturbieren... Nach gut einem halben Jahr lerne ich jemanden kennen. Wir verstehen uns gut und wir landen im Bett. Was jetzt passiert, hätte ich mir niemals träumen lassen. Als wir uns küssen und Zärtlichkeiten austauschen bekomme ich zwar eine Erektion, aber sobald es ans Eingemachte geht, verabschiedet sie sich. Dabei ist die Frau ein neuer Reiz! Wie kann es sein, dass ich die Erektion nicht halten kann? Ich bin in der Blüte meines Lebens!! Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es an den Pornos liegen könnte, schmiede ich einen Plan. Wie wärs, wenn ich zu den Pornos masturbiere, aber kurz vorm Kommen aufhöre? Das würde doch ganz sicher dazu führen, dass ich meine Erektion besser halten kann! Spoiler Alarm: NEIN!
Nach langem Hin und Her klappt es dann endlich doch. Direkt nach dem Wach werden und ohne Vorspiel funktioniert es plötzlich. Meine Erektion hält und ich komme auch zum Orgasmus. Aber sofort folgt eine nächste böse Überraschung. Sobald ich fertig bin, verliere ich komplett das Interesse an der Frau und mir ist sofort klar, dass es das letzte Mal sein wird, dass ich mich mit ihr treffe. So gefühlskalt habe ich mich selbst noch nie erlebt. Denke mir aber nichts weiter dabei und kehre zu meiner täglichen Routine zurück.

Anfang 2019:
Es ist ein ganz normaler Tag. Wie immer bin ich auf den bekannten Pornoseiten unterwegs, als mir eine Werbung auffällt. Darauf ist eine wunderschöne Frau zu sehen. Schlank, helle Haut, rotes Haar, Sommersprossen. Genau wonach ich suche. Ich klicke darauf und werde auf eine Seite für Camgirls weiter geleitet. "Oh, ein Startguthaben für das Erstellen eines Accounts? Das gönn ich mir, denn ich habe nicht im Geringsten vor für virtuellen Sex Geld auszugeben. Ich bin ja nicht dumm!"
Ich habe keine Ahnung, dass sich an diesem Tag mein Leben verändert. Ich bin überwältigt von den schier unbegrenzten Möglichkeiten. Ich kann mich mit wunderschönen Frauen unterhalten und sie erfüllen mir jeden Wunsch, wenn ich Geld auf den Tisch lege. Eine neuen Welt! Das Startguthaben ist natürlich schnell verbraucht und ich will mehr! Alles ist anders und ich bin so erregt wie schon lange nicht mehr und verbringe Stunden um Stunden auf dieser Seite. Masturbiere 6, 7, 8 Mal pro Tag. Jede freie Minute treibe ich mich dort herum, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Mit einigen Mädchen komme ich ins Gespräch und baue eine Art Beziehung auf. Andere benutze ich nur zur Befriedigung und würdige sie nachher nichtmal mehr eines Blickes. Der Töne, die abgespielt werden, wenn ich "Trinkgeld" gebe, werden zu meiner Melodie und selbst als ich merke, dass ich völlig die Kontrolle verloren habe stört es mich nicht weiter. Die Stimme in mir, die fleht: "Du kannst doch nicht dein ganzes Geld ausgeben!" wird kurzerhand zum Schweigen gebracht. Ich rede mir ein, ich tue den Frauen etwas Gutes. Schließlich ist es ihr Job für den ich sie fürstlich entlohne. Ich bin ein gern gesehener Gast und die Herzen fliegen mir zu. Obwohl ich ganz genau weiß, dass das alles nur eine Illusion ist, liebe ich dieses Gefühl. Ich liefere mir regelrechte Battles mit anderen Usern und will immer der sein, der am meisten gibt. Ich weiß es nicht genau und ich will ehrlich gesagt nicht nachrechnen, aber bis heute muss ich dort wohl um die € 20.000 versenkt haben. Seit diesem verhängnisvollen Tag Anfang 2019, bin ich beinahe täglich eingeloggt und Spiele mein Spiel. Manchmal "investiere" ich viel Geld, manchmal wenig bis garnichts. Natürlich stumpfe ich mehr und mehr ab. Der anfängliche Rausch ist schon bald verflogen. Die privaten Shows dauern jetzt oft 30 Minuten und länger und trotzdem komme ich nicht zum Orgasmus. Ich ziehe dann einfach ich weiter zur nächsten Frau. Stundenlang, bis ich befriedigt bin. Auch wenn ich absolut keine Lust habe gehe ich auf die Seite und bleibe dort bis ich endlich fertig bin. Danach fasse ich mir jedes Mal an den Kopf und frage mich, wie ich so dumm sein, und mein Geld so achtlos aus dem Fenster werfen kann. Doch auch dieses Gefühl schwindet, sobald meine Melodie wieder ertönt. Raus gehen und echte Frauen kennenlernen? Wozu? Ich habe alles was ich brauche! Ich kaufe mir Sex, Nähe, Geborgenheit. All das was mir im echten Leben fehlt.

August 2021:
Ich hole mir eine VR-Brille für mein neu entdecktes Hobby Sim-Racing. Ich richte alles ein, drehe ein paar Runden und habe riesen Spaß! Aus heiterem Himmel trifft mich der Blitz "Momeeent, es gibt doch auch Pornos in VR! Die muss ich haben!". Eine kurze Suche und schon bin ich wo ich sein will. Schnell ein Abo abgeschlossen, denn ich will ja das volle Programm und was ist dieser mickrige monatliche Betrag schon gegen das Geld das ich sonst so verschwende. Es geht wieder von vorne los... Eine neue Welt, unbeschreibliche Lust, X Mal pro Tag masturbieren. Dass ich vor dem Kauf der Brille nichtmal ansatzweise daran gedacht habe sie für so etwas einzusezten ist vergessen. Sim-Racing wird zur Nebensache. Ich bin in meiner virtuellen Pornowelt und auch die Seiten mit den Webcams verblassen langsam. Ich bin froh darüber, denn ab jetzt kostet mich mein Spaß nur noch ein paar Euro im Monat. Doch wie so oft dauert es nicht lange und es zieht mich wieder dorthin zurück...

letzte Woche:
Ich sehe auf Youtube ein Video über Pornosucht und erkenne mich sofort selbst darin. Ich nehme mir Zeit und gehe in mich. Reflektiere, betrachte mich von außen und gestehe mir erstmals ein, dass ich ein Problem habe. Ich sehe mir weitere Videos zu dem Thema an, recherchiere, stoße auf dieses Forum. Jetzt bin ich stark und lasse das alles hinter mir...
Ich komme von einem Kurztrip zurück und nehme mir vor, weder zu Pornos, noch generell zu masturbieren. Ich muss nur kurz auf die Seite um zu sehen wie viel Geld ich dort noch habe, denn ich brauche es ja nicht mehr... Wie die Geschichte ausgeht muss ich wohl nicht weiter erläutern. Ich halte nichtmal einen Tag durch!

Heute:
Mittlerweile sind vier Tage vergangen. Ich bin bis jetzt stark geblieben und bin abstinent. Untertags ist das Verlangen groß. Ich spüre die Gier und ich muss viel Kraft aufbringen um ihr nicht zu erliegen. In der Nacht plagen mich Träume. Die Frauen vor den Webcams suchen mich heim und animieren mich zurück zu kommen. Idealisierte Bilder schwirren in meinem Kopf herum, begleitet von einer sehr starken Erektion.

Ich habe mir heute professionelle Hilfe geholt, denn nach fast 30 Jahren Pornos und Masturbation kann ich mir nicht sicher sein, dass ich das alleine schaffe. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich meine Scham überwinden und meinen besten Freund in die Sache einweihen.

Danke fürs Lesen!
liebe Grüße!
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#2
Hoi NoJines - finde ich toll dass du hier gelandet bist... Dass du anfängst gegenzusteuern... Denn in Summe, wenn man deine Geschichte liest, klingt es doch auch so, dass nichts bleibt von all den schönen schönen Frauen, all den Erlebnissen, all den Besuchen im Netz... Ich wünsche dir dass du dran bleibst, ich finde deinen Ansatz diese Tage super und gut überlegt, durchsdacht... alleine dass du es nicht alleine angehst zeigt dass du schon weit im Kopf bist... Ich wünsche dir dass dein Körper mitgeht... Suche dir jedenfalls erstmals Alternativen ... die dich nicht ins Netz zeihen auf die Schnelle mal... Ich wünsche dir alles gute!!! Und danke fürs teilen!
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#3
Herzlichen Dank für deine aufmunternden Worte!
Natürlich bleibt nichts außer ein Loch in der Geldbörse und was noch viel schlimmer ist, ich allerdings im ersten Post nicht erwähnt habe, ist die Objektifizierung von Frauen im realen Leben. Ich stelle mir bei so vielen Frauen vor, wie sie vor der Webcam aussehen würden. Das passiert völlig unbewusst und ich hasse mich dafür. Ich habe mich immer selbst als guten Menschen betrachtet und das wird auch von meinem (eher kargen) Umfeld bestätigt. Frauen oft nur noch als Objekte wahr zu nehmen passt nicht in dieses Selbstbild. So bin ich nicht!! Ich habe mich selbst dazu gemacht und das muss so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden.

Nächste Woche habe ich mein erstes Gespräch mit meiner Psychologin nach über einem Jahr. Obwohl wir uns schon lange kennen und ich ihr vertraue, habe ich die Pornosucht nie angesprochen. Es war mir zwar unterbewusst irgendwie klar, dass ich es ihr erzählen sollte, aber als wirkliches Problem sehe ich es ja selbst erst seit kurzem und die Scham musste ich auch erstmal überwinden.

Ich werde hier wahrscheinlich ein Tagebuch beginnen. Vielleicht hilft es mir.
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#4
Habe hier mein Tagebuch begonnen.
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#5
Sehr sehr interessante Vorgeschichte . Vor allem macjt micht das sehr optimistisch dass du dir auch Hilfe geholt hast. Viele unterschätzen die Schwierigkeit, vor allem in der Anfangseuphorie. Gutes Gelingen!
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